REGINA NIEKE – DER SPIELER
In ihrer aktuellen Ausstellung* dominieren bei Regina Nieke Naturmotive in Pastelltönen: Meer- und Sonnenansichten, zuweilen verliert sich die Andeutung eines (winzigen) Menschen in dieser gewaltigen Szenerie. Soll darin ausgedrückt werden, wie klein und unbedeutend der (fast schemenhaft) dargestellte Mensch im Vergleich zur der ihn umgebenden Natur ist? Was würde passieren, wenn dieses schemenhafte Wesen nicht mehr da wäre? Lenkt es uns von dem eigentlichen Naturphänomen ab?
Im Unterschied zu diesen erst kürzlich fertiggestellten Werken faszinierte mich ein „älteres“, 2010 erstelltes Bild, welches an die Motive erinnerte, die ich zuvor bei Regina Nieke entdeckt hatte. Es ist wie die anderen Werke ohne Titel, mit dem Untertitel „Der Spieler“. Ein Mensch, ich vermute ein Mann, befindet sich auf einem Schachbrett, in welcher Stellung / Haltung, das bleibt offen, denn sein Körper ist nur schemenhaft zu erkennen und verliert sich auf diesem Brett. Lediglich das Gesicht ist deutlich herausgearbeitet und erlangt durch die gespachtelte Auftragung der Farbe plastische Ausmaße. Es ist aber kein klar erkennbares Gesicht, sondern man kann dessen Physiognomie nur ahnen: Ein Auge scheint den Betrachter anzustarren oder schaut es durch ihn hindurch, der Mund scheint weit aufgerissen, und das andere Auge ist eigentlich eher ein Hohlkörper, das im Hintergrund verschwindet. Dieser Hintergrund ist zunächst pechschwarz, doch im oberen Teil ist eine violette Kolorierung zu erkennen.
Dieses Motiv bietet viele Möglichkeiten der Interpretation, zunächst der Mensch und das Schachbrett: Soll darin ausgedrückt werden, dass der Mensch in dem Spiel aufgeht? Ist er vielleicht sogar Teil dieses Spiels geworden? Ist das Schachbrett wörtlich zu nehmen, oder soll es vielmehr das Feld / Spielfeld des Lebens darstellen – positiv interpretiert mit all seinen verschiedenen Möglichkeiten und Wegen, negativ gedeutet mit der ihn umgebenden Einsamkeit und Leere!? Generalisiert man diesen Gedanken und sieht diesen Menschen als Symbol für die Menschheit, dann wäre diese Person das einzige / das letzte Wesen (auf unserem Planeten)!?
Der Gesichtsausdruck des Menschen, ist es Verzweiflung, ist es die Suche nach Hilfe oder ist es Todeskampf / Todesangst, wenn er mit einem Auge uns anstarrt, mit dem anderen schon im Dunkel zu verlieren scheint? Dafür spräche auch das Schemenhafte seiner Figur, die sich in ein Nichts aufzulösen scheint. Der Hintergrund ist pechschwarz, soll dies eine Hoffnungslosigkeit, eine Mauer symbolisieren, die nicht überwindbar ist, die nicht überschritten werden kann? Drückt das Violett im oberen Teil ein Stück Hoffnung aus, soll vielleicht eine positive Perspektive angedeutet werden? Oder wird es durch das Schwarz mit all seinen Konnotationen an den Rand und aus dem Bild gedrückt?
Abschließend möchte ich mit einem Zitat von Erich Fromm, das er im Hinblick auf die Wahrheit gesagt hat; ich finde, es passt auch für dieses Werk: „Die Wahrheit muss nicht nur bedeutsam und ganz sein, sie muss auch radikal sein, nicht geschönt, gesüßt, mit Zuckerguss überzogen. Die Erfahrung zeigt, dass die Wahrheit, das heißt die Konfrontation mit der Wirklichkeit, dort eine besondere Wirkung hat, wo man sie vollständig, klar und ohne Kompromisse sieht.“
Rainer Leppin, 2018
* HARTMANN HAUPTSTADT TREFF, Luisenstraße 45, 10117 Berlin
04.07. – 26.09.2018, Mo – Fr: 9 – 17 h nach tel. Anmeldung (24 34 25 50)
© Regina Nieke / reginanieke@mail.com